MIWF-Projekt „Plattform Gesprochenes Deutsch – authentische Alltagsinteraktionen für die Forschung und Praxis im Bereich DaF und DaZ“
Damit die Integration von Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, in unserer Gesellschaft gelingen kann, ist es unumgänglich, dass die Menschen mit derjenigen Gebrauchsweise von Deutsch vertraut gemacht werden, die heutzutage im Alltag verwendet wird. Trotz der sogenannten „kommunikativen Wende“ orientieren sich Lehrwerke im Bereich Deutsch-als-Zweit- und Fremdsprache vorwiegend an den Normen der deutschen Schriftsprache: So weichen die in Lehrbuchdialogen konstruierten Äußerungen noch immer erheblich vom tatsächlichen mündlichen Sprachgebrauch deutscher MuttersprachlerInnen ab. Nicht nur herrscht ein Defizit an authentischem, für den Unterricht aufbereitetem Dialogmaterial, auch im Bereich der praxisorientierten Lehrvorschläge fehlt es an Didaktisierungen von grundlegenden und relevanten Strukturen des gesprochenen Deutsch. Das geplante Projekt nimmt sich dieses Desiderats an und strebt an, eine Internet-Plattform zu entwickeln, auf der eine umfangreiche Datenbank von Gesprächen deutscher MuttersprachlerInnen und Lehrmaterial zum Einsatz im DaF- und DaZ-Unterricht bereitgestellt werden soll. Studentische Hilfskräfte sollen Gespräche in unterschiedlichen informellen wie auch institutionellen Kontexten erheben, in denen verschiedenste kommunikative Handlungen und Gesprächsgattungen enthalten sind. Da das Projekt methodologisch der Interaktionalen Linguistik und der Gesprächsanalyse verpflichtet ist, werden ausschließlich authentische Gespräche als Ton- oder Videodokument aufgezeichnet, die sodann nach einer vereinfachten Version des Gesprächsanalytischen Transkriptionssystems 2 (Selting et al. 2009) transkribiert werden. Dies ermöglicht Nicht-LinguistInnen einen schnellen und unkomplizierten Zugang zu den Daten. Basierend auf den Videodaten und Transkripten soll ein/e wissenschaftliche/r MitarbeiterIn Lehreinheiten erarbeiten, in denen Strukturen des gesprochenen Deutsch (aus dem Bereich der Prosodie, der Syntax, des Lexikons, der sequenziellen Organisation, der Markierung von Nähe und Distanz, der Indizierung von Emotionen und Modalitäten etc.) in einer lernergerechten Form aufbereitet werden. Die erhobenen Gesprächsdaten sollen darüber hinaus auch der DaF- und DaZ-Lehrerausbildung und der Forschung zugänglich sein. So können zukünftige Lehrpersonen im Umgang mit gesprochenen Daten geschult werden und der Interaktionalen Linguistik wird die Möglichkeit geboten, auf Grundlage der Daten neue Erkenntnisse über Sprache-in-Interaktion zu erarbeiten, die dann wiederum der DaF- und DaZ-Didaktik zugutekommen. Das Projekt treibt so die dringend notwendige Verzahnung der sprachwissenschaftlichen Forschung mit der alltäglichen Unterrichtspraxis von DaZ und DaF voran und leistet einen konkreten Beitrag zur Bildungsbeteiligung von MigrantInnen: Nur, wenn ihnen mündliche Sprachkompetenzen vermittelt werden, die sie in die Lage versetzen, situationsadäquat in verschiedenen sozialen Interaktionskontexten zu kommunizieren, können sie die komplexen kommunikativen Anforderungen des Alltags in Deutschland erfolgreich bewältigen und das gesellschaftliche Zusammenleben aktiv mitgestalten.
Das Projekt wurde im Dezember 2016 für den Projektzeitraum 01.01.2017 bis 31.12.2017 bewilligt.